Vitamin D, das Lichthormon

Dr. med. Andres Bircher
­Vitamin D ist eigentlich kein Vitamin, denn unser Körper stellt es selbst her. Es ist ein Prohormon. Verschiedene Gewebe erzeugen das lichtempfindliche «Provitamin D» (7-Dehydrocholesterol).

Dieses wird in der Haut durch das UV-B- Sonnenlichtspektrum (290-315 nm Wellenlänge bei mindestens 18 mj/cm2 Stärke) zu Cholecalciferol, dem aktiven Vitamin D 3 umgewandelt. Gebunden an ein Protein (VBP) gelangt es in die Leber. Dort ist es bereits 8 Stunden nach der Besonnung gespeichert, in Form von  25(OH)Vitamin D3. Provitamin D3 ist lichtempfindlich. Bleiben wir länger an der Sonne, wird es wieder abgebaut, zu unwirksamem Lumisterol und Tachysterol. Dies ist eine ganz wichtige Selbstregulation, die uns vor Vitamin D-Vergiftung schützt. Die Haut eines jungen, hellhäutigen Erwachsenen bildet unter der Sommermittagssonne innert 15 Minuten rund 15‘000 internationale Einheiten oder 350 µg Vitamin D. Länger an der Sonne zu sein ist unnütz, da dadurch nicht mehr Vitamin D entsteht. Sonnengebräunte oder sonst dunkelhäutige Menschen erreichen die maximale Vitamin D Dosis allerdings erst nach einer bis mehreren Stunden, denn das braune Hautpigment Melanin absorbiert die UV- Lichtspektren, um uns vor den schädlichen Wirkungen des UV-A-Lichtes zu schützen. Solarien enthalten meistens kein UV-B-Licht und erzeugen kein Vitamin D und nur eine flüchtige Schnellbräunung. Notwendig ist also ein häufiges, kurzes Sonnenbad und zwar ohne jegliche Sonnenschutzcreme, denn diese würde, selbst bei ganz niedrigem Schutzfaktor, das UV-B-Spektrum vollständig entfernen. In den Niederungen nützt das Sonnenbaden nur im Sommer, denn nördlich des 37. Breitengrades (Sizilien, Kalifornien), filtern die Dunstschichten im Winterhalbjahr das UV-B-Spektrum aus dem Sonnenlicht aus. Die Vitamin D-Speicherung der Sommermonate muss für die kalte Jahreszeit genügen, denn Vitamin D aus der Nahrung wird relativ schlecht aufgenommen. Nur wegen der mangelnden Besonnung wird eine Ergänzung über die Nahrung empfohlen. Fette Fische und Lebertran können wegen der radioaktiven und chemischen Verschmutzung der Meere nicht mehr empfohlen werden. 100 g Avocado liefern 137 IE Vitamin D, Hühnerei 116 und Milchprodukte zwischen 2 und 48 IE. In 100 g Muttermilch fand man zwischen o,4 und 4,8 IE Vitamin D, je nach dem Vitamin D-Spiegel der Mutter. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Säuglinge 400 IE, für Kinder und Erwachsene 800 E täglich. Risikogruppen sind, neben gestillten Säuglingen, eingewanderte dunkelhäutige Menschen und alle, die sich nicht besonnen. Werden wir älter, so nimmt die Fähigkeit zur Vitamin-D-Bildung ab. Dann wird das tägliche Sonnenbad besonders wichtig.

Die Speicherform (25(OH)Vitamin D) wird in den Nieren aktiviert. Dies ist äusserst fein reguliert und wird u.a. durch Östrogene, Calcium, Phosphat, Cortisol, Calcitonin, Prolactin, Zytokine, Wachstumshormon u.a. Wachstumsfaktoren stark beeinflusst. In den Zellkernen gelangt das Vitamin D an einen Vitamin-D-Rezeptoren. Ähnlich einiger Steroidhormone aktiviert es dort mehrere Gene für die Produktion verschiedenster Eiweisse.

Berücksichtigt man alle übrigen Risikofaktoren, so erleiden Menschen bei Vitamin D-Mangel doppelt so häufig einen Herzinfarkt als jene mit normalem Vitamin D-Spiegel. Das Todesfallrisiko verdoppelt sich innert 7,7 Jahren. Das Risiko eines tödlichen Infarktes lässt sich durch einen hochnormalen Vitamin D-Spiegel um 81% vermindern. Vitamin D- ist absolut notwendig für eine wirksame zelluläre Immunabwehr gegen Viren, Pilze, einige Bakterien und gegen Krebs. Auch schützt es vor Autoimmunkrankheiten, vor multipler Sklerose, Morbus Parkinson, Morbus Crohn, Lupus erythematodes und juvenilem Diabetes mellitus (Typ I). Bei Vitamin D-Mangel sind Atemwegsinfekte um 1/3 und Asthma bronchiale 5 x häufiger als bei normalem Vitamin D-Spiegel. Beim Säugling verursacht ein Mangel Rachitis mit Knochenverkrümmungen und gestörtem Wachstum. Kinder und Erwachsene mit Vitamin D-Mangel leiden an Hirnleistungsschwäche und Lernstörungen und haben ein deutlich höheres Risiko für Fibromyalgie, Muskelschwäche, Infekte, Allergien und Krebs. Ältere Menschen sind Osteoporose gefährdet, leiden durch häufige Stürze, Schlafstörungen, Schlafapnoen, Tagesmüdigkeit, Hirnleistungsstörungen, Demenz, Parkinsonkrankheit und Suizidalität.

Die enorme Bedeutung regelmässiger, kurzer Besonnung der Haut und des Vitamin D wird heute noch immer massiv unterschätzt. Den Mangel zu beheben ist ein Weg, der sich lohnt.         

Tipp:
Nutzen Sie den Sommer für ein tägliches, kurzes Sonnenbad ohne Sonnenschutzcreme. Vitalstoffreiche, lebendige Nahrung schützt Sie wirksam vor Hautkrebs. Tragen Sie im Sommer leichte Kleidung ohne Ärmel, kurze Hosen oder Jupes, so kann Ihre Haut atmen und genug Vitamin D bilden für den langen Winter.

Handbuch 10 | Ordnungsgesetze