Vom Sinn des Weihnachtsfestes

Dr. med. Andres Bircher
Im November begannen die Gassen zu glitzern. Goldene Engel, künstliche Zweige, Kerzen  und Weihnachtskugeln in allen Farben, goldene Flitterbänder ergiessen sich, einem goldenen Segen gleich, in die Auslagen der Geschäfte.

Die weltberühmte Zürcher Bahnhofstrasse erleuchtet mit hunderttausend künstlichen Sternen das düstere Tun der Banken, die Paläste und Geschäftshäuser, von denen die Züricher sagen, dass kein einziges aus sauberem Geld besteht. Eine eigenartige Hektik des Kaufens breitet sich aus, die bis zum Weihnachtstag die eigenen wirtschaftlichen Grenzen vergessen lässt: Geschenke für diese, für jenen, nur Niemanden vergessen. Wo bleibt der Sinn des Festes, des Gedenktages der Geburt des Messias, dieses jüdischen Propheten, der versucht hatte, die über Moses aus Ägypten stammende Weisheit der 10 Gebote der jüdischen Gemeinschaft unter die Menschen zu bringen. Jeschu, dem der altgriechische Name Chrestos (der Nützliche) beigefügt wurde, den viele römische Sklaven trugen, wurde der Zauberei angeklagt und als Verführer des jüdischen Volkes zu falschen Göttern grausam hingerichtet, so wie vor ihm Sokrates und Pythagoras, denn wie diese hatte er sein Leben unerschrocken in den Dienst der Wahrheit gestellt.

Die Weihnachtsgeschichte des Lukas wirkt lieblich, mit der Verkündung der Geburt des Messias an Schafhirten durch den Engel Gabriel. Diejenige des Matthäus dagegen zeichnet eine grausame Welt  mit dem grausamen Massenkindermord, der angeblich durch den römischen König Herodes Agrippa II „den Grossen“ befohlen worden sei, so dass das Jesuskind durch die Flucht nach Ägypten entkommen musste.

1937 hat Carl Gustav Jung, nach seinen analytischen Arbeiten mit schizophrenen Menschen, nach seiner psychoanalytischen Arbeit und seinen Studien zur Symbolik verschiedenster Religionen und Kulturen in seinen Terry-Lectures an der Yale-University zu Fragen der Religion Stellung genommen:

Er hat erkannt, dass Atheismus nicht möglich ist, es sei denn der Mensch wird schizophren. In einem Vorwort sagt er: „Ich glaube nicht, aber ich kenne eine persönliche Kraft, deren Wirkung kein Widerstand entgegengesetzt werden kann. Ich nenne sie „Gott“. Religion definiert Jung als Einstellung gegenüber dem „Numinosum“, dem Göttlichen und Heiligen, als persönliche Erfahrung des Überpersönlichen und beschreibt „Religion“ damit als eine der allgemeinsten Äusserungen der menschlichen Seele.

Atheisten sind tief gläubige Menschen, sie glaubten an die Macht des Nationalsozialismus, glaubten an den Kommunismus, sie glauben an den Sinn des grossen Geldes, den Sinn einer weltweit vernetzten Informatik, an das Fussball, an eine „neue Weltordnung“, an einen Sinn einer Globalisierung der freien Marktwirtschaft. 

Gerade zu Weihnachten ist von „Liebe“ viel die Rede und doch weiss niemand so ganz genau, was Liebe denn eigentlich ist. Bei all den vielen Menschen, die ich in meiner Sprechstunde kennen lernen durfte, habe ich oft diese Frage gestellt und habe schliesslich erkannt, dass in den Menschen,  ob reich oder arm, im Grunde nur zwei tiefe Bedürfnisse zu finden sind: das Bedürfnis nach Sicherheit und das Bedürfnis Verstanden zu sein. Nicht wo wir wohnen sind wir zu Hause, sondern da wo wir verstanden werden, da werden wir geliebt und wenn wir andere verstehen, so sind wir daran, zu lieben. Mehr bedarf es nicht. Religionen, in denen sich Menschen Verstanden fühlten, wurden zu grossen Weltreligionen. Wie ein göttliches Feuer breitete sich ihre Botschaft in den Seelen der Menschen aus. Atheistische Religionen erfüllen diese Bedingung nicht. Die grossen Religionen waren aber auch die Ursache der grossen Kriegen, Ursache von Gewalt, Grausamkeit Elend und Tod. Zu diesen Katastrophen kommt es, wenn wir glauben und nicht verstehen, denn was wir glauben ist keiner Logik zugänglich. Glauben schützt nicht vor Grausamkeit.

Verstehen lernen können wir in der eigenen Familie und nur, wenn wir lernen können, uns selbst zu verstehen, wenn wir lernen können, unsere eigenen Unzulänglichkeiten, unsere eigene tierhafte Triebhaftigkeit und Gier, Eifersucht und Neid zu erkennen. Dann finden wir zu neuer Bescheidenheit. Wenn wir lernen, uns selbst zu verstehen, so wird es möglich, unsere Angehörigen zu verstehen und ihnen keinen Schaden zuzufügen. So macht das Weihnachtsfest Sinn.

Tipp:
Verzichten Sie gegenseitig auf gekaufte Geschenke. Suchen Sie Stille und Besinnung. Ersetzen Sie das lange, opulente Weihnachtsmahl durch etwas Einfaches, Gesundes, durch die Feier in der Kirche und eine romantische Wanderung im Schnee.

Vom Werden des neuen Arztes